Milch und Milchverarbeitung in Vorgeschichte und Antike

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Schlagwörter: Antike , Milch , Milchverarbeitung

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    Stephan Lücke (2021): Milch und Milchverarbeitung in Vorgeschichte und Antike, Version 1 (31.05.2021, 16:33). In: Stephan Lücke & Noemi Piredda & Sebastian Postlep & Elissa Pustka (Hrsgg.) (2021): Linguistik grenzenlos: Berge, Meer, Käse und Salamander 2.0 – Linguistica senza confini: montagna, mare, formaggio e salamandra 2.0 (Korpus im Text 14), Version 1, url: http://www.kit.gwi.uni-muenchen.de/?p=74920&v=1
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1. Kulturgeschichtliche Anfänge und physiologische Voraussetzungen des Milchkonsums

Die Anfänge des Milchkonsums und der Milchverarbeitung reichen im erweiterten europäischen Kulturkreis bis in graue Vorzeit zurück. Voraussetzung für den Konsum von Milch und Milchprodukten ist in erster Linie der Beginn der Viehhaltung und -zucht gewesen. Dieser Schritt ist wohl schon vor der Sesshaftwerdung des Menschen erfolgt und wurde demnach zunächst von Nomaden betrieben. Diese Wirtschaftsform könnte sich bereits nach dem Ende der letzten Eiszeit vor 13000 Jahren und somit am Beginn des Mesolithikums in der Levante herausgebildet haben. Archäologisch konkret fassbar ist die Haltung speziell von Schafen und Ziegen spätestens seit dem 9. Jahrtausend v. Chr. und zwar im Bereich des Nahen und Mittleren Osten, wobei der Nucleus dieser Wirtschaftsform im oberen Mesopotamien gelegen und sich von dort aus verbreitet zu haben scheint. Die Verwendung von Milch ist in dieser Region spätestens für das 8. Jahrtausend v. Chr. archäologisch (Analyse von Keramik) nachweisbar.1 In Mitteleuropa ist es wohl um die Mitte des 6. Jahrtausends v. Chr. die über den Balkan aus dem Vorderen Orient eingedrungene2 frühneolithische Kultur der Linearbandkeramiker gewesen, die in dieser Region als erste Milchwirtschaft betrieben hat,3 und allem Anschein nach ist auch sie die Gesellschaft gewesen, in deren Reihen sich um die Mitte des 6. Jahrtausends v. Chr. die Laktasepersistenz genetisch herausgebildet hat.4

Als Indikator für die Integration von Milch und Milchprodukten in die Ernährung der erwachsenen Bevölkerung wird eine anthropologisch nachweisbare physiologische Veränderung bei bestimmten Populationen angesehen. Konkret geht es um die Fähigkeit zur Verdauung des Milchzuckers, der Laktose, für die das Enzym Laktase erforderlich ist, dessen Produktion im Organismus, genauer: im Dünndarm, von Säugetier und Mensch nach der Stillzeit stark abnimmt bzw. vollständig verschwindet. Als Folge ist das Verdauungssystem von Erwachsenen nicht mehr dazu in der Lage, Milch oder bestimmte Milchprodukte zu verwerten. Für etwa Dreiviertel der heutigen Weltbevölkerung gilt diese Einschränkung nach wie vor, wobei es regional erhebliche Unterschiede gibt.5 So sind in Südostasien nahezu 100 Prozent der Bevölkerung laktoseintolerant, in Schweden hingegen sind es lediglich rund 2 Prozent. Global betrachtet existieren abgesehen von Europa zwei weitere Regionen – nämlich in West- sowie in Ostafrika –, in denen sich im Lauf der Evolution eine relativ hohe Quote an Laktosetoleranz herausgebildet hat, wobei es sich um von einander unabhängige Prozesse gehandelt hat, die überdies auch genetisch unterschiedlich realisiert sind.6

Bezogen auf Europa besteht hinsichtlich des prozentualen Bevölkerungsanteils mit Laktoseintoleranz grosso modo ein Nord-Süd-Gefälle. Dem 2-Prozent-Wert in Schweden stehen Werte von 56 Prozent auf Kreta und 71 Prozent auf Sizilien gegenüber. Nicht nur geographisch dazwischen liegen die Werte für Nordfrankreich (17 Prozent), Deutschland (15 Prozent) und Mittelitalien (19 Prozent). Auffällig sind die nicht in das Schema eines grundsätzlichen Nord-Süd-Gefälles passenden Werte für Südfrankreich (65 Prozent) und Norditalien (41 Prozent).

Es liegt nahe zu vermuten, dass das erstmalige Auftreten der Laktosetoleranz in Europa um die Mitte des 6. Jahrtausends v. Chr. bereits am Ende einer vermutlich längeren Periode gestanden haben muss, während derer sich die Menschen mit Milchprodukten ernährt haben und sich durch den ständigen Kontakt mit diesem Nahrungsmittel eine entsprechende Toleranz hatte herausbilden können. Möglich war dies aufgrund der Tatsache, dass durch bestimmte Formen der Milchverarbeitung der Laktosegehalt der entsprechenden Produkte teils erheblich gesenkt werden kann. So wird etwa der Laktosegehalt bei der Herstellung von Käse beträchtlich reduziert. Entscheidend ist dabei die sukzessive Umwandlung der Laktose in Milchsäure durch die in der Milch von Natur aus enthaltenen Milchsäurebakterien.7 Da es sich um einen allmählichen Prozess handelt, sinkt der Laktosegehalt mit der Dauer der Lagerung, wobei die Geschwindigkeit des Abbaus von der durchaus variablen Art und Anzahl der vorhandenen Milchsäurebakterien abhängt. Der in Oberitalien verbreitete Grana Padano, zu dem auch der bekannte Parmesan gehört, muss vor dem Verkauf mindestens neun Monate reifen und enthält dann durchschnittlich nur 0,06 Gramm Laktose pro 100 Gramm Käsemasse8 – gegenüber einem entsprechenden Wert von 4,7 Gramm in frischer Kuhmilch.9 Es mag daher kein Zufall sein, dass sich mit dem Grana Padano ausgerechnet ein gereifter Hartkäse in Oberitalien etabliert hat, weist, wie oben bereits erwähnt, die dortige Bevölkerung doch mit 41 Prozent einen überraschend hohen Anteil von Laktoseintoleranz auf. Jedenfalls lässt sich aus dem geschilderten Zusammenhang schließen, dass in der Menschheitsgeschichte sehr wahrscheinlich die Herstellung und der Verzehr von Käse lange *vor* dem Konsum von unverarbeiteter Milch stattgefunden hat und damit ein Prozess abgelaufen ist, den man so zunächst nicht erwarten würde, verlaufen Entwicklungen doch in aller Regel eher vom Einfachen zum Elaborierten. Spätestens seit der Mitte des 6. Jahrtausends v. Chr. waren die entsprechenden Kulturtechniken vorhanden, die im Zusammenhang mit der Herstellung von Käse stehen. Gleichzeitig muss sich in den damaligen Gesellschaften auch eine entsprechende Terminologie für Prozeduren, Gerätschaften und Produkte entwickelt haben, die freilich für uns nicht mehr unmittelbar greifbar ist. Zumindest theoretisch besteht jedenfalls die Möglichkeit, dass sich im dieser Konzeptdomäne zugehörigen Vokabular heute noch lebender Sprachen entfernte lexikalische Reflexe aus der kulturgeschichtlichen Anfangszeit der Milchwirtschaft erhalten haben.

2. Prähistorische archäologische Zeugnisse

Was nun die prähistorische Epoche in Europa anlangt, so existieren hier archäologische Zeugnisse, die mit mehr oder weniger großer Sicherheit in den Kontext von Milchverarbeitung gestellt werden können. An prähistorischen keramischen Siebgefäßen aus ganz Europa wurden vereinzelt Spuren von Milchresten gefunden, wobei es im Einzelfall durchaus unklar ist, bei welchem Vorgang genau die entsprechenden Gerätschaften verwendet wurden. So wurden etwa bei Ausgrabungen in Miechowice in der Nähe von Katowice in Südpolen Fragmente von keramischen Sieben gefunden, an denen Reste von Milchfett festgestellt werden konnten und die grob in das 6. Jahrtausend v. Chr. datiert werden.10

Perforierte Tonscherbe aus Polen (Katnr. IN 77/1997. Photo: Mélanie Roffet-Salque / University of Bristol [UK]). In den Löchern befindet sich Erdreich, ursprünglich sind sie offen gewesen.

Von der iberischen Halbinsel wiederum stammen siebartige Keramikzylinder ohne Boden (vgl. Tews 2017), die in der spanischen und portugiesischen archäologischen Fachliteratur traditionell als queseras (span.) bzw. als queijeiras (port.) bezeichnet werden und demnach als Utensilien zur Herstellung von Käse gedeutet werden (Abbildung11).

Diese Keramikzylinder stammen aus der Kupfer-, Bronze- und Eisenzeit und decken somit einen Zeitraum von etwa dem 3. Jahrtausend v. Chr. bis zur Zeitenwende ab.12 Auch an diesen Gerätschaften – die offenkundig aus gebranntem Ton bestehen; andernfalls hätten sie die Zeit nicht überdauert13 – konnten Reste von Milch bzw. ihren Bestandteilen festgestellt werden. Noch heute werden bei der Käseproduktion vergleichbare Kunststoffzylinder ohne Boden und mit perforierter Wand verwendet.14

Moderner Siebzylinder aus Kunststoff15

Es ist durchaus wahrscheinlich, dass die Keramikzylinder von der iberischen Halbinsel denselben Zwecken dienten wie die Siebgefäße aus Polen. Interessant ist, dass in beiden Fällen bisweilen Reste von Bienenwachs festgestellt werden konnten.16 Es wurde bereits gerätselt, wie das Auftreten des Bienenwachses wohl zu erklären sein könnte. Unter anderem ist, speziell im Hinblick auf die Tonzylinder von der iberischen Halbinsel, vorgeschlagen worden, dass die Tonzylinder, primär oder auch in einer Art Zweckentfremdung, als Windlichter für Wachskerzen verwendet worden sein könnten.17 Die nächstliegende Erklärung dürfte jedoch eine andere sein: Möglicherweise wurden die Zylinder deswegen mit Bienenwachs überzogen, weil der poröse Ton ansonsten die Molke aufgesogen hätte. Dies dürfte wohl vor allem deswegen unerwünscht gewesen sein, weil die eingesogene Molke alsbald zu stinken begonnen hätte, was bei der erneuten Verwendung der Gerätschaften störend gewesen wäre. Anstelle des Bienenwachses könnten zu diesem Zweck auch Pflanzenöle verwendet worden sein, deren Reste ebenfalls an Tonzylindern von der iberischen Halbinsel identifiziert werden konnten.18

3. Früheste schriftliche Zeugnisse

Was den europäischen Kulturraum anlangt, so liegen – sieht man einmal von den lapidaren und überdies seltenen Erwähnungen von Käse in den listenartigen Güterverzeichnissen in Linear-B-Texten ab19 – die frühesten schriftlichen Zeugnisse für Verarbeitung und Konsum von Milch und Milchprodukten in den homerischen Epen vor.

Einen Einblick in eine archaische Form von Milchwirtschaft und Käseherstellung bietet die berühmte Polyphem-Episode in der Odyssee (Od. 9, 170-566 [Loeb; Perseus]20). Der einäugige Riese, der Odysseus und seine Gefährten in seiner Höhle gefangen hält, um sie später zu verspeisen, hält eine stattliche Anzahl von Schafen und Ziegen (Kühe besitzt er nicht), die er jeden Morgen und Abend melkt. Die Hälfte der gewonnenen Milch legt er dick – was er nur durch Vermischung mit einem Gerinnungsmittel erreichen kann, die andere Hälfte hebt er auf, um sie alsbald zu trinken. Welches Gerinnungsmittel Polyphem zum Einsatz bringt, wird nicht gesagt. An einer anderen Stelle der Ilias, in der die Blutgerinnung mit der Gerinnung der Milch verglichen wird (Il. 5, 902-904 [Loeb; Perseus]; s. auch unten), wird zu diesem Zweck das saftartige Harz (ὀπός) des wilden Feigenbaums verwendet. Die Masse der geronnenen Milch füllt Polyphem in geflochtene Körbe, die das Abfließen der Molke gestatten und insofern dieselbe Funktion erfüllen wie die prähistorischen perforierten Tonzylinder, von denen bereits die Rede war (Od. 9, 246ff. [Loeb; Perseus]):

αὐτίκα δ᾿ ἥμισυ μὲν θρέψας21 λευκοῖο γάλακτος
πλεκτοῖς ἐν ταλάροισιν22 ἀμησάμενος κατέθηκεν

Sofort aber gab er die Hälfte der weißen Milch, nachdem er sie dick gemacht hatte, sie für sich sammelnd, in geflochtene Körbe ...23

Die Molke besitzt für Polyphem offenkundig Wert, denn anders ist nicht zu erklären, dass in seiner Höhle zahlreiche Eimer (γαυλοί) und Wannen (σκαφίδες), die ihm auch als Melkgefäße dienen, gefüllt mit Molke herumstehen (Od. 9, 222f. [Loeb; Perseus]):

                                   ναῖον δ᾿ ὀρῷ ἄγγεα πάντα,
γαυλοί τε σκαφίδες τε, τετυγμένα, τοῖς ἐνάμελγεν.

Es flossen alle die wohlgefertigten Gefäße von Molke über, die Eimer und Wannen, in die hinein er molk.

Das Einfüllen der Käsemasse in die geflochtenen Körbe musste demnach in der Weise erfolgen, dass die Körbe zuvor in einen dieser Eimer oder Wannen gestellt worden waren; wir erfahren nicht, wie die Molke weiter verwendet oder verarbeitet wird.

Zur Bezeichnung der MOLKE wird hier das Wort ὀρός verwendet. Es ist verwandt mit altindisch sarás, FLIEßEND, sowie mit dem lateinischen Wort serum,24 das seinen Weg in eine ganze Reihe romanischer Sprachen gefunden hat und dort nach wie vor überwiegend die MOLKE  bezeichnet, so etwa im Rumänischen (zer), Italienischen (siero) und Friaulischen (sir). Weitere Derivate von serum in modernen Sprachen bezeichnen auch andere Konzepte, wie etwa die BUTTERMILCH (provenzalisch serigot, katalanisch xerigot). Die Wörter stria und strum stammen aus dem Dialekt der westlich des Lago Maggiore an der Grenze zur Schweiz gelegenen Valle Antrona. Sie sind ebenfalls von lat. serum abgeleitet und bezeichnen speziell die Molke, die vom Bruch herabtropft, wenn man diesen aus dem Kessel hebt.25 Beide Wörter weisen das eingeschobene t auf, das sich auch im deutschen Wort Strom findet und das ebenfalls in Verbindung mit ὀρός/serum steht (Kluge 2013, s. vv. serum, Strom). Auch im Altgriechischen bezeichnet ὀρός neben der Molke auch schon das Blutserum, das sich von den festen Bestandteilen des Blutes oben absetzt, wenn man das nicht geronnene und erkaltete Blut stehen lässt.26

Das altgriechische Wort für KÄSE ist τῡρός. Es gilt als verwandt mit dem Wort tûirinam, das im Awestischen, einer altiranischen und demnach indogermanischen Sprache, die um 400 v. Chr. ausgestorben ist, eine Art geronnener Milch bezeichnete.27 Im Altslawischen bedeutet tvarogŭ KÄSIG GEWORDENE MILCH, MOLKE,28 und im Polnischen wiederum bezeichnet das Wort Twaróg den QUARK. Es ist unverkennbar, dass von Letzterem ein Weg zum deutschen Wort Quark führt. Anscheinend ist das Wort spätestens im 14. Jh. aus dem Niedersorbischen ins Deutsche entlehnt worden.29 Es gibt Hinweise darauf, dass das griechische τυρός möglicherweise, zumindest hauptsächlich, Käse aus ganz bestimmter Milch bezeichnet hat. Dies kann man vielleicht aus dem Kompositum βούτῡρον (neben der Neutrum-Form gibt es auch das Maskulinum βούτῡρος) schließen, auf das unser Wort Butter zurückgeht. Der Wortteil βού- spezifiziert dabei den Käse als "Rinder"-Käse (gr. βοῦς ⇒ RIND), also einen Käse, der aus Kuhmilch hergestellt wurde. Im Umkehrschluss könnte das bedeuten, dass τῡρός per se Käse aus anderer Milch bezeichnete. In Frage käme dann vor allem Käse aus Schafs- und Ziegenmilch; darauf würden die Polyphemgeschichte oder die Ausführungen des Columella (s. u.) hindeuten. Ganz analog meinen wir auch im Deutschen implizit immer eine ganz bestimmte Art von Käse, wenn wir dieses Wort verwenden, in diesem Fall den Käse, der aus Kuhmilch hergestellt wurde. Eine Spezifizierung erfolgt in aller Regel nur bei Abweichung von dieser Norm, und man spricht dann z. B. von Schafs- oder Ziegenkäse. Nur in Ausnahmefällen betonen wir, dass es sich um Kuhkäse handelt.

Polyphem ist offenkundig laktosetolerant. Die Herstellung des Käses dient ausschließlich der Haltbarmachung für den späteren Verzehr. Dabei mag auch eine Rolle gespielt haben, dass es im homerischen Griechenland im Jahreslauf möglicherweise Phasen gegeben hat, in denen das Vieh keine Milch gegeben hat. Darauf könnte ein Passus in der Rede des Menelaos hindeuten, die dieser zur Begrüßung hielt, als Telemachos, der Sohn des Odysseus, begleitet von Peisistratos, dem Sohn des Nestor, auf seiner Suche nach Odysseus an seinem Hof eintrifft30. Menelaos erzählt von seinem eigenen Schicksal, das ihn auch in ferne Länder geführt habe, wo das Vieh "immerwährend" (ἐπηετανὸν) Milch gebe.31 Moderne Übersetzungen deuten das adverbial zu verstehende ἐπηετανὸν, eigentlich 'beständig', 'immerwährend'32 meist im Sinne von "das ganze Jahr über". In jedem Fall scheint es so, dass der im Jahresverlauf unablässige Milchfluss keine Selbstverständlichkeit gewesen ist.

Dass Polyphem die frische, unverarbeitete Milch trinkt, charakterisiert  ihn, wie wir weiter unten noch sehen werden, als unkultivierten Barbaren – der homerische Grieche trinkt keine Milch! Einen Schluck "ungemischter" Milch33 genehmigt er sich unter anderem, nachdem er die beiden ersten der Gefährten des Odysseus verschlungen hatte (Od. 9, 297 [Loeb; Perseus]).

Polyphem betreibt offenbar keinen Ackerbau und kennt demnach auch kein Getreide.34 Für seine Prozeduren der Milchverarbeitung benötigt er keine Tongefäße, ihm genügen geflochtene Körbe, die Eimer und Wannen kann man sich aus Holz vorstellen.35 All dies führt zu der Einsicht, dass die eingangs vorgestellten perforierten Tonzylinder aus dem 6. Jahrtausend v. Chr. keineswegs den Anfang der Milchverarbeitung und Käseherstellung markieren müssen, sondern vielmehr Zeugnisse einer fortgeschrittenen Entwicklungsstufe dieser Kulturtechnik darstellen. Nur die Dauerhaftigkeit des Materials macht sie für uns zu den frühesten archäologisch greifbaren Zeugnissen.

Die Abnormität der Ernährungsweise des Polyphem zeigt sich auch im Kontrast zu den zahlreichen Schilderungen von Festgelagen der ‘normalen’, ‘zivilisierten’ Mitglieder der homerischen Gesellschaft, die sich in den homerischen Epen finden. Niemals ist dort vom Verzehr von Milch oder Käse die Rede. Genannt werden praktisch ausschließlich Fleisch und Brot, einziges Getränk ist der Wein36 (den Polyphem übrigens anscheinend nur in seiner ursprünglichen, unvergorenen Gestalt kannte; vgl. Od. 9, 357-9 [Loeb; Perseus]).

Eine kurze Stelle im dreizehnten Gesang der Ilias (13, 1-6 [Loeb; Perseus]) lässt erkennen, dass der Genuss von unverarbeiteter frischer Milch von den homerischen Griechen als absolut barbarisch empfunden wurde und enthüllt, in welchem Licht der Milchgenuss den Polyphem in den Augen der damaligen Zuhörerschaft hat erscheinen lassen müssen. In der bewussten Passage erleben wir Zeus, wie er, nachdem er in das Kampfgeschehen vor Troja eingegriffen hatte, seinen Blick von dieser Szenerie abwendet und von der Höhe weithin in verschiedene Himmelsrichtungen schaut (seine Absence nutzt Poseidon, um sich, entgegen dem Willen des Zeus, in das Kampfgeschehen einzumischen):

Ζεὺς δ᾿ ἐπεὶ οὖν Τρῶάς τε καὶ Ἕκτορα νηυσὶ πέλασσε,
τοὺς μὲν ἔα παρὰ τῇσι πόνον τ᾿ ἐχέμεν καὶ ὀιζὺν
νωλεμέως, αὐτὸς δὲ πάλιν τρέπεν ὄσσε φαεινώ,
νόσφιν ἐφ᾿ ἱπποπόλων Θρῃκῶν καθορώμενος αἶαν
(5) Μυσῶν τ᾿ ἀγχεμάχων καὶ ἀγαυῶν Ἱππημολγῶν
γλακτοφάγων, Ἀβίων τε δικαιοτάτων ἀνθρώπων.

Nachdem Zeus aber die Troer und Hektor zu den Schiffen versetzt hatte, ließ er diese bei jenen unaufhörlich Mühe und Jammer haben, er selbst aber wandte die leuchtenden Augen ab und blickte in der Ferne auf das Land der rossezüchtenden Thraker, der im Nahkampf kämpfenden trefflichen Myser, der milchtrinkenden Hippemolgen und der Abioi, der Gerechtesten aller Menschen.

Neben den rossezüchtenden Thrakern, die von Troja aus gesehen im Norden jenseits der Dardanellen lebten, und den im Nahkampf kämpfenden Mysern, deren Gebiet wir uns in Kleinasien unmittelbar östlich der Troas vorzustellen haben, erblickt er dabei auch die ἀγαυοὶ Ἱππημολγοὶ / γλακτοφάγοι (sic), die trefflichen Hippemolgen, die sich von Milch ernähren. Das zwischen γ und λ ausgefallene α (< γάλα, MILCH) ist metrisch begründet, entsteht auf diese Weise doch ein Daktylus, der es erlaubt, das Wort an den Anfang des Folgeverses zu setzen und auf diese Weise ein Enjambement zu erzeugen, das das γλακτοφάγοι – und nicht etwa das vorangehende Ἱππημολγοὶ – als etwas Unerhörtes markiert, also in etwa folgendermaßen: Man stelle sich vor, Leute, die Milch trinken!

Die zitierte Passage lässt außerdem erkennen, dass die homerischen Griechen nur die Milch von ganz bestimmten Tieren als Nahrungsmittel akzeptierten. "Hippemolgen" bedeutet "Pferdemelker", wobei das Wort an dieser Stelle ziemlich sicher als Eigenname zu verstehen ist, wie die Einreihung in die Liste der Thraker, Myser und Abioi nahelegt.37. Die geographische Verortung dieser Pferdemelker ist strenggenommen aus dem Kontext der Iliasstelle nicht genau ablesbar, auch wenn moderne Autoren 38 bisweilen behaupten, sie seien dort als Nachbarn der Thraker geschildert. Spätere antike Autoren wie z. B. Strabon beschäftigten sich mit der Frage, wen Homer hier wohl gemeint haben könnte. Strabo kommt zu dem Schluss, dass es sich hier um die Skythen handeln müsse. Der Geograph Ptolemaios (2. Jh. n. Chr.) erwähnt die "Galaktophagoi Skythai" und meint damit offenbar einen Stamm der Skythen.39 Aus der Erwähnung in der Ilias kann man jedenfalls schließen, dass dem Urheber der entsprechenden Passage die Vorstellung von einem Volk, das Pferde melkt und deren Milch trinkt, als etwas Sonderbares erschienen ist, das seiner eigenen Lebenswelt fremd war.

Aus heutiger Sicht ausgesprochen eigenartig mutet eine Praxis an, von der in der Ilias berichtet wird (Il. 11, 638-641). Dort ist davon die Rede, dass eine Dienerin mit einer bronzenen Reibe Ziegenkäse in einen mit Wein gefüllten Becher reibt. Zusätzlich gibt sie anschließend auch noch Gerstenmehl in das Getränk, das sodann von Nestor und seinem Gast Machaon getrunken wird.40 Mit dieser Iliasstelle wurden perforierte Bronzebleche in Verbindung gebracht, die seit dem frühen 1. Jahrtausend v. Chr. beliebte und weit verbreitete Grabbeigaben gewesen sind. Entsprechende Funde wurden sowohl in Griechenland wie auch auf der Apenninenhalbinsel gemacht. Die Deutung als 'Käsereiben' im engeren Sinn und der Bezug auf die erwähnte Iliasstelle ist freilich spekulativ. Immerhin scheinen die Objekte in irgendeinem Zusammenhang mit der menschlichen Ernährung gestanden zu haben. Dafür spricht die Tatsache, dass sie praktisch ausschließlich zusammen mit Essgeschirr gefunden worden sind.41

Zumindest in der homerischen Gesellschaft scheint Milch hauptsächlich zur Herstellung von Käse verwendet worden zu sein. Das Trinken der rohen, unverarbeiteten Milch galt, wie wir gesehen haben, als barbarisch. Zumindest Letzteres scheint sich jedoch bald nach der Entstehungszeit der homerischen Epen ein wenig geändert zu haben.42 Aus dem 7. Jh. v. Chr. stammen die "Werke und Tage" des Hesiod von Askra in Boiotien. Das in Hexametern verfasste Gedicht ist letztlich eine Art Moralpredigt an den Bruder des Autors, Perses, dessen Lebenswandel er kritisiert und dem er seine Vorstellungen eines guten und gerechten Lebens skizziert. In etwas über 200 (v. 381-617) der insgesamt gut 800 Verse schildert Hesiod die Arbeit des Bauern im Jahresverlauf. Es ist interessant, dass Milchwirtschaft darin überhaupt keine Rolle spielt. Die zentrale Tätigkeit des Bauern ist der Ackerbau, daneben spricht Hesiod auch von Weinbau, Weinbereitung und Weingenuss. An einer Stelle jedoch findet die Milch Erwähnung: Hesiod empfiehlt, dass der Bauer sich in der Hitze des Sommers in den Schatten setzt und sich dort durch den Genuss von Rind- und Ziegenfleisch sowie von einer Art Brot oder Brei, bestehend aus Getreide erquicken soll.43 Dazu solle er Wein und die Milch von Ziegen trinken, die ihre Jungen nicht mehr säugen (v. 588-592):

ἀλλὰ τότ᾽ ἤδη
εἴη πετραίη τε σκιὴ καὶ Βίβλινος οἶνος
(590) μᾶζά τ᾽ ἀμολγαίη γάλα τ᾽ αἰγῶν σβεννυμενάων
καὶ βοὸς ὑλοφάγοιο κρέας μή πω τετοκυίης
πρωτογόνων τ᾽ ἐρίφων·

Aber dann soll dort sein felsiger Schatten, biblinischer Wein,44 Milchbrei, die Milch von Ziegen, deren Milchfluss versiegt, das Fleisch einer in den Wäldern weidenden Kuh, die noch nie gekalbt hat,45 und (das Fleisch) von neugeborenen Ziegen.

Aufs Ganze gesehen entsteht der Eindruck, dass in der bäuerlichen Gesellschaft im Umfeld des Hesiod keine elaborierte Milchwirtschaft betrieben wurde. Milch ist vorhanden gewesen, sie stellte aber sozusagen ein willkommenes Nebenprodukt dar, das sich aus der Präsenz der Nutztiere ergab, deren Arbeitskraft man nutzte (vor allem der Rinder), deren Fleisch man aß (Rinder, Ziegen) oder deren Wolle man nutzte (Schafe). Auffällig ist, dass Hesiod mit keinem Wort den Käse erwähnt. An seine Stelle scheint die μάζα ἀμολγαίη, jene eigenartige Milch-Getreide-Mischung getreten zu sein. Aus der Empfehlung, die reine Ziegenmilch zu trinken, wird man schließen dürfen, dass Hesiod, ebenso wie Polyphem, laktosetolerant gewesen ist.

Es gibt Anzeichen dafür, dass die Molke als minderwertiges Abfallprodukt der Käseherstellung betrachtet wurde. Jedenfalls enthalten, soweit ich sehe, die antiken Quellen keinen Hinweis darauf, dass die Molke getrunken oder etwa zu Molkenkäse oder Ricotta weiterverarbeitet worden wäre. Gleichzeitig scheint der Nährwert der Molke sehr wohl bekannt gewesen zu sein, anders lässt sich nicht verstehen, dass Polyphem die Molke bei der Käseherstellung aufgefangen hat, auch wenn wir nicht erfahren, was genau Polyphem damit gemacht hat. Wenigstens aus römischen Quellen lässt sich herauslesen, dass Molke als Tierfutter verwendet wurde. So wurden offenbar, wie auch heute noch, Schweine mit Molke gefüttert.46 Davon, dass man speziell Hunden Molke zum Fressen gab,  berichten unabhängig von einander Vergil und Columella, wobei ersterer sogar noch den Nährwert der Molke unterstreicht, indem er von der "fetten" Molke spricht (serum pingue).47 Insofern lässt sich die Empfehlung, die der treulose Ziegenhirte Melantheus in der Odyssee (17, 225 [Loeb; Perseus]) in lästerlicher Rede dem von Athena (Od. 13, 430ff. [Loeb; Perseus]) in einen gebrechlichen alten Bettler verwandelten Odysseus gibt, Molke zu trinken, um zu Kräften zu kommen,48 als wohlberechnete Unverschämtheit verstehen, stellt er ihn auf diese Weise doch auf die Stufe eines Tieres. Gleichzeitig spielt der Ratschlag des Melantheus natürlich wiederum auf die Nahrhaftigkeit der Molke an.

Dass sich auf der Milch, wenn man sie in einem Gefäß eine längere Zeit stehen lässt, eine Fettschicht bildet, muss auch Polyphem beobachtet haben. Gleichwohl findet sich in der Polyphemgeschichte kein Anhaltspunkt dafür, dass der einäugige Riese eine besondere Verwendung für diese Substanz gehabt hat. Dies scheint generell für Griechen und Römer zu gelten. Darauf deutet u. a. hin, dass es im Griechischen und im Lateinischen keine spezifische Bezeichnung für die Sahne gegeben hat bzw. dass eine solche erst sehr spät bezeugt und nur selten belegt ist. So verfügt etwa der kaiserzeitliche Autor Philostrat der Ältere (165/70-244/9) über kein spezifisches Wort für die sich auf der Milch absetzende Schicht, wenn er diese in einer seiner Bildbeschreibungen (imagines 31 [Loeb]) als das "auf ihr (sc. der Milch) schwimmende Fett" bezeichnet (καὶ γὰρ στίλβειν ἔοικεν ὑπὸ τῆς ἐπιπολαζούσης αὐτῷ πιμελῆς.). πῑμελή (LSJ), das mit dem Adjektiv πίων, 'fett', zusammenhängt, bezeichnet offenbar ganz allgemein jede Art von nicht festem, also flüssigem oder 'schmierigem' Fett. Nicht nur Philostrat fehlt eine spezifische Bezeichnung für die SAHNE, sondern es gibt eine solche im Griechischen anscheinend generell nicht. Ähnlich ist es im Lateinischen: Das lateinische Wort für die SAHNE, cramum, von dem sich etwa das frz. crème herleitet, ist nur sehr selten und darüberhinaus erst sehr spät, in den Carmina miscellanea des Venantius Fortunatus, belegt.49

Auch wenn Griechen und Römern die sich auf der Milch absetzende Schicht flüssigen Fetts natürlich bekannt gewesen ist, so haben sie diese anscheinend – ebensowenig wie Polyphem – in aller Regel nicht gezielt separiert und als gesondertes Produkt konsumiert oder, etwa zu Butter oder Mascarpone (ein aus Sahne hergestellter Käse), weiterverarbeitet. Für das 5. Jh. v. Chr. etwa lässt sich dies aus einer Stelle bei Herodot (ca. 490/80-ca. 430/20 v. Chr.) herauslesen. Er beschreibt im vierten Buch seiner Historien (4, 2 [Loeb; Perseus]) eine Prozedur, die offenkundig – daran kann meines Erachtens kein Zweifel bestehen – der Gewinnung von Sahne dient. Angeblich hätten die Skythen die Milch in große Behälter aus Holz (ξύλινα ἀγγήια κοῖλα) gegeben und sie dann von blinden Sklaven umrühren lassen. Die oberste Schicht hätten sie sodann abgeschöpft und sie sei es gewesen, die sie am allermeisten schätzten. Die Tatsache, dass man blinde Sklaven eingesetzt habe, sei dadurch begründet, dass von diesen keine Begehrlichkeit entwickelt werden konnte.

Die Beschreibung des Vorgangs durch Herodot zeigt in doppelter Hinsicht, dass er weder mit dem Verfahren zur Sahnegewinnung noch mit dem Endprodukt vertraut gewesen ist. Denn zum einen darf Milch zum Zweck der Aufrahmung keinesfalls gerührt werden, sondern muss ruhig stehen gelassen werden: Durch das unterschiedliche spezifische Gewicht steigen die in der Milch enthaltenen Fettpartikel langsam an die Oberfläche und bilden dann eine auf den wässrigen Anteilen schwimmende Schicht, die sodann abgeschöpft werden kann. Je länger die Milch stehengelassen wird, desto vollständiger ist die Trennung zwischen Fett und Wasser. Traditionell lässt man die Milch mehrere Tage an einem kühlen Ort ruhen. Der Vorgang findet allerdings nur in nicht-homogenisierter Milch statt, weswegen er bei der heutzutage handelsüblichen Milch nicht beobachtet werden kann. In der traditionellen Almwirtschaft im Alpenraum wurden für die Sahnegewinnung bis mindestens ins 20. Jh. hinein spezielle, meist flache Aufrahmgefäße verwendet. Entsprechende Gefäßtypen, darunter auch solche aus Holz, sowie deren dialektale Bezeichnungen dokumentiert z. B. die Karte 1203 des Sprach- und Sachatlas' Italiens und der Südschweiz.50. Die Autoren des AIS vermerken a. a. O., dass in ihrem Untersuchungsgebiet die Sahneproduktion grundsätzlich auf die Herstellung von Butter ausgerichtet gewesen ist, die Sahne also nur ein Zwischenprodukt darstellt.51 Ausgehend davon wäre zu überlegen, ob nicht auch bei den Skythen die Sahnegewinnung letztlich auf die Herstellung von Butter abzielte. Allerdings berichtet Herodot dergleichen nicht, und daher muss die Erwägung Spekulation bleiben.

Darauf, dass Herodot keine Vorstellung vom Konzept SAHNE hatte, deutet ferner die Tatsache hin, dass er offenbar über keinen spezifischen Terminus für die sich auf der Milch absetzende Schicht verfügte. Er spricht lediglich ganz allgemein vom "τὸ μὲν αὐτοῦ ἐπιστάμενον", also dem "sich oben Absetzenden" und, im Gegensatz dazu, von der unteren Schicht: τὸ δ᾿ ὑπιστάμενον.

4. Milch und Milchverarbeitung in römischen Geoponica

Als Geoponica werden literarische Werke über die Landwirtschaft bezeichnet. Die prominentesten Vertreter dieser Gattung sind von Römern verfasst worden52 und tragen Titel wie De re rustica (Varro, Columella), De agricultura (Cato) oder Georgica (Vergil). Bisweilen finden sich darin auch Hinweise auf die Milchwirtschaft, wobei dies in durchaus unterschiedlicher Weise und Umfang der Fall ist.

Gleich das früheste erhaltene Werk lateinischer Prosa, De agri cultura des älteren Cato (234-149), entstanden in der ersten Hälfte des 2. Jhs. v. Chr., kann zu den Geoponica gerechnet werden. Cato gibt darin Anweisungen, wie ein landwirtschaftlicher Betrieb ausgestattet sein muss und wie er betrieben werden sollte. Im Zentrum der landwirtschaftlichen Tätigkeiten stehen dabei der Ackerbau sowie die Kultur von Wein und Olivenbäumen, Milchwirtschaft hingegen spielt in dem Werk praktisch keine Rolle. Dennoch wird an verschiedenen Stellen deutlich, dass Milch und Käse in diesem bäuerlichen Umfeld (natürlich) auch hier präsent gewesen sind. Dies wird zunächst im Kontext einer Reihe von Kochrezepten deutlich, die Cato in etwa in der Mitte seines Werkes (Kap. 83-96) eingebunden hat. Von den insgesamt 14 Gerichten, deren Zubereitung einigermaßen detailliert beschrieben wird, ist bei genau der Hälfte Käse eine der Zutaten.53 Ein weiteres Gericht (95) wird mit Milch zubereitet. Daran lässt sich ablesen, dass Milch und Käse eine zentrale Rolle für die Ernährung der bäuerlichen Gemeinschaft gespielt haben. Umso mehr verwundert es, dass Cato sich mit keinem Wort zur Milchgewinnung und Käseherstellung äußert. Zumindest ein Grund dafür könnte darin bestehen, dass speziell die Haltung der Schafe hauptsächlich im Verpachtungsverfahren betrieben wurde, wie Cato es im Kapitel 159 beschreibt. Die Pachtzahlungen wurden dabei im Wesentlichen durch die Abtretung von Käse und Milch geleistet:

Fructum ovium hac lege venire oportet. In singulas casei P. I S dimidium aridum, lacte feriis quod mulserit dimidium et praeterea lactis urnam unam;

Den Ertrag aus der Schafhaltung soll man nach folgender Abmachung vergeben: Für jedes (Schaf gibt der Pächter oder Käufer) 1 1/2 Pfund Käse – davon die Hälfte trocken – und von der Milch, die er an Feiertagen gemolken hat, die Hälfte und ansonsten eine Urna Milch. (Übers. H. Froesch)

Die Käseherstellung wurde demnach von außenstehenden, spezialisierten Hirten betrieben, wobei man sich deren Lebens- und Arbeitsweise vielleicht in etwa so vorstellen kann, wie in der Polyphem-Episode beschrieben. Die Haltung der Tiere (und somit auch die Käseherstellung) muss im näheren Umfeld des Gutshofes betrieben worden sein, ansonsten wäre die Abtretung der leicht verderblichen Milch nicht möglich gewesen.

Es scheint so, als wäre auf dem Catonischen Mustergut neben Schafs- auch noch die Milch von anderen Tieren konsumiert worden. Darauf könnte hindeuten, dass Cato bei einem der von ihm gelieferten Kochrezepte, der "placenta" (Nr. 85), ausdrücklich von "caseus ovillus" spricht. Die Betonung, dass es sich um *Schafs*milch handelt, macht nur Sinn, wenn es sich um eine Abweichung von der Norm handelt. Freilich besteht hier durchaus die Gefahr der Überinterpretation. Jedenfalls käme vor dem Hintergrund der Darlegungen des Cato dann wohl vor allem Kuhmilch in Betracht, da speziell Rinder auf dem Gutshof (primär wohl als Arbeitstiere und Fleischlieferanten) eine bedeutende Rolle gespielt haben und anscheinend in größerer Anzahl vorhanden waren. Es bleibt dann allerdings wieder die Frage, wer die Milch gemolken und in welcher Weise er sie verarbeitet hat; Cato nennt eine ganze Reihe von Funktionsspezialisten (Ochsentreiber [bubulci], Eseltreiber [asinarii], Schweinehirten [subulci], Schafhirten [opiliones], Weinbauern [salictarii]); ein Melker oder Käsemeister ist jedoch nicht darunter.

Catos Ausführungen lassen noch weitere Details der im Verborgenen betriebenen Milchwirtschaft bzw. des Konsums von Milch und Käse erkennen. So wurden offenbar unterschiedliche Arten von Käse, nämlich frischer und gereifter, erzeugt. Darauf deutet die Erwähnung eines "caseus recens" hin, der bei der Zubereitung des sog. "Punischen Breis" (puls punica) verwendet wurde (Kap. 94). Desweiteren ist feststellbar, dass Käse in den Gerichten gerne mit Honig kombiniert wurde (Kap. 86, 91). Dass die Molke offenbar u. a. als Schweinefutter verwendet, wurde bereits erwähnt (Cato 150, 2; s. oben). Ziegen gibt es auf dem imaginären Mustergut des Cato nicht.

Das, soweit mir bekannt, früheste erhaltene Werk, das sich in einem Abschnitt en Detail mit der Herstellung von Käse beschäftigt, sind die Rerum rusticarum libri tres des Marcus Terentius Varro (116-27 v. Chr.). Im Buch 2 (Kap. 11, 1-5 [Loeb]) zählt Varro zunächst die verschiedenen Nutztiere auf, deren Milch nach seiner Ansicht für den menschlichen Konsum verwendet werden kann. Für am nahrhaftesten erklärt er Schaf- und Ziegenmilch, ferner erwähnt er Stuten-, Esels- und Kuhmilch. Man wird davon ausgehen dürfen, dass all diese Milchsorten als Nahrungsmittel verwendet wurden. Die Herstellung von Käse erfolge idealerweise, so Varro, in einem Zeitraum zwischen Frühling und Sommer,54 also nicht das ganze Jahr über. Varro nennt genaue Mengen an Gerinnungsmittel, die man der Milch beigeben müsse, nämlich die Größe von etwa zwei Oliven für 2 Congii, was rund sieben Litern entspricht. Anders als später Columella spricht er nicht davon, dass die Milch bei der Dicklegung idealerweise erwärmt wird. Es scheint daher so, als habe er sich nicht in allen Details mit der Käseherstellung befasst. Darauf deutet auch die relative Kürze der Passage hin, die sich mit der Käseherstellung beschäftigt.

Interessant sind schließlich Varros das Kapitel Käseherstellung abschließende Bemerkungen zur55 Ficus Ruminalis (Buch 2, Kap. 11, 5 [Loeb]). Dabei handelte es sich um einen heiligen wilden Feigenbaum, der in historischer Zeit auf dem Forum Romanum im Bereich des Comitiums stand.56 Der Legende zufolge wurden die Zwillinge Romulus und Remus im Schatten dieses Baumes von der Wölfin gesäugt, und an der Stelle des Feigenbaums verehrte man die numenartige Gottheit Rumina, deren Name mit der altlateinischen Bezeichnung für die säugende Brust, ruma (Varianten: rumis, rumen), in Verbindung steht und somit auf die Säugung der beiden Zwillinge verweist. Der Rumina wurde entsprechend nicht Wein, wie sonst beim Götteropfer üblich, sondern Milch geopfert. Varro erklärt nun die Tatsache, dass am Heiligtum der Rumina ausgerechnet ein wilder Feigenbaum stand, mit dessen Bedeutung für die Verarbeitung von Milch.

Römischer Denar des Sextus Pompeius (Fostlus?)57 aus dem Jahr 137 (?) v. Chr. Rückseite der Münze (rechts): Hinter der Romulus und Remus säugenden Wölfin die Ficus ruminalis, links Faustulus, der Ziehvater der Zwillinge.58

Der bereits erwähnte Lucius Iunius Moderatus Columella59 (✝ um 70 n. Chr.) widmet der Herstellung von Käse einen größeren Abschnitt in seinen De re rustica libri duodecim und gibt darin, anders als Varro, zu erkennen, dass er sich mit der Thematik bestens ausgekannt hat.60 Die von ihm dort beschriebenen Prozeduren entsprechen sehr genau der Art und Weise, wie seit jeher und auch heute noch Käse hergestellt wird.

Als Gerinnungsmittel nennt Columella zunächst Lab von Lämmern und Zicklein. Noch heutzutage wird in den Madonie, einem Kalksteingebirge an der Nordküste von Sizilien etwas östlich von Palermo, der Milch zur Gerinnung ein Stück getrockneter Magen von einem Zicklein beigegeben.61 Columella zufolge fanden als Gerinnungsmittel neben tierischen auch pflanzliche Substanzen Verwendung wie die Blüten der Wilddistel (agrestis carduus), die offenbar vollständig in die Milch gegeben wurde, die Samen der cnecos62 oder auch die Feigenmilch (ficulneus lac [Columella]). In manchen Gegenden lege man auch Pinienzapfen in einen Eimer, über dem man alsdann Ziegen melkt; auch auf diese Weise wurde offenbar die Gerinnung der Milch erreicht.

Columella beschreibt sehr detailliert die Herstellung speziell von Hartkäse. Er schildert die Dicklegung der Milch und betont, wie wichtig es ist, dass die Milch bei diesem Vorgang warmgehalten werden muss, sie aber keinesfalls direkt über dem Feuer gehalten werden darf. Wie wir heute wissen, liegt die ideale Temperatur der Milch bei der Dicklegung mit Lab bei 36–37° Celsius. Bei höheren Temperaturen verliert das Lab sehr schnell seine Wirkung.63 Die Beschreibung des Columella passt also sehr gut zu den realen Verhältnissen. In Ermangelung von Thermometern wird bei der damaligen Käseherstellung die Erfahrung die entscheidende Rolle gespielt haben.

Nachdem sich Feststoffe und Molke von einander getrennt haben, wurde die Masse in Behältnisse gegeben, die das Abfließen der Molke erlaubten. Columella spricht an dieser Stelle von drei verschiedenen Arten von Behältnissen, nämlich von fiscellae, calathi und formae (… et confestim cum concrevit liquor, in fiscellas aut in calathos vel formas transferendus est.). fiscella ist ein Diminutiv von fiscina, beide Wörter meinen im Wesentlichen einen aus unterschiedlichen Materialien geflochtenen Korb. Die größere Variante, fiscina, wurde als Korb u. a. für Obst, Trauben und Oliven verwendet.64 Die fiscella, das Körbchen, nennt auch Tibull als Gerätschaft beim Käsen.65 Auch calathus bezeichnet einen kleinen Korb aus Flechtwerk. Sehr unspezifisch und mit einer Vielzahl an Bedeutungen ist die Vokabel forma,66 letztlich muss es sich im gegebenen Kontext aber auch hierbei um eine Art Korb handeln, dessen Machart das Abfließen der Molke erlaubte.67 Da alle drei von Columella genannten Behältnisse dieselbe Funktion gehabt haben, dürften sie sich vor allem im Hinblick auf ihre Gestalt von einander unterschieden haben.

Columella (7, 8, 7 [Loeb; Perseus]) berichtet auch von einem speziellen Käse, der mit der Hand geformt oder aber in ein Körbchen aus Buchs gepresst wird. Zuvor war der Bruch mit heißem Wasser übergossen worden:

Illa vero notissima est ratio faciendi casei, quem dicimus manu pressum. Namque is paulum gelatus in mulctra dum est tepefacta, rescinditur et fervente aqua perfusus vel manu figuratur, vel buxeis formis exprimitur.

Dies ist tatsächlich die bekannteste Weise der Käseherstellung, die wir als "handgepresst" bezeichnen. Denn dieser (sc. der Käse) wird, ... , zerschnitten und mit kochendem Wasser übergossen und (anschließend) mit der Hand geformt oder in (mit?) "Formen" aus Buchsbaum gepresst.68

Das hier beschriebene Verfahren erinnert stark an die Herstellung von Filata-Käsen wie Mozzarella oder Scamorza, wie sie auch heute noch praktiziert wird. Tatsächlich wird frischer, halbfester Käse in Streifen geschnitten, mit heißem Wasser übergossen und dann mit der Hand gezogen und gepresst. Die folgenden Aufnahmen wurden im November 2016 auf einer Alm in den Madonie (OSM; Google Satellite) auf Sizilien aufgenommen:

Traditionelle Herstellung von Filatakäse auf einer Alm in den Madonie (Sizilien). Aufnahmen: Stephan Lücke 2016, CC BY-SA 4.0

Die kommerzielle Herstellung von Mozzarella wird in folgendem Werbe-Video der Alztaler Hofmolkerei demonstriert.69 Das Überbrühen des Bruchs ist ab etwa Minute 2:45 zu sehen, das "Pressen" mit der Hand etwa bei Minute 6:00:

Es mag also gut sein, dass uns Columella a. a. O. von einem frühen Vorläufer des Mozzarella berichtet. Bei Columella erfahren wir auch, dass es üblich war, dem Käse allerlei aromatisierende Substanzen wie etwa Thymian beizufügen. Keine Rede ist hingegen von Schimmelkäsen.

Ob man sicher davon ausgehen kann, dass sich buxeus auf dieselbe Pflanze bezieht, die im Deutschen als Buchsbaum bezeichnet wird, ist nicht ganz klar. Sollte das der Fall sein, so muss angemerkt werden, dass der Buchsbaum in all seinen Teilen giftig ist. Die Pflanze enthält rund 70 verschiedene Alkaloide.70 Dieser Umstand würde die Nachricht des Columella jedoch nicht notwendig als unglaubwürdig erscheinen lassen. In geringer Dosierung wurde Buchsbaum nämlich schon in der Antike als Heilmittel gegen Malaria und Husten angewandt.71 Auch bei Magen- und Darmkrankheiten verabreichte man Buchsbaumpräparate, und so wäre durchaus vorstellbar, dass man sich von der Verwendung der Buchsbaumkörbchen bei der Käseherstellung vielleicht eine bessere Bekömmlichkeit des Käses versprach.

Der ganze Abschnitt über die Käseherstellung bei Columella folgt unmittelbar auf einen Teil, in dem es um Schafe und Ziegen geht. Dies lässt annehmen, dass Columella in seinem Exkurs über die Käseherstellung vor allem die Milch von Schafen und Ziegen im Auge hatte, eher nicht die von Kühen. Es scheint generell so gewesen zu sein, dass die Nutzung von Kuhmilch zur Käseherstellung im griechisch-römischen Kulturkreis eher die Ausnahme gewesen ist. Für die Römer bezeugt dies ausdrücklich Plinius der Ältere (Plinius Nat. hist. 11, 96 [Loeb]). Ihm zufolge sei die Milch von Tieren mit mehr als vier Zitzen ungeeignet für die Käseherstellung, die Milch von Tieren mit zwei Zitzen sei besser als die von solchen mit vier.72

Ausgesprochen oberflächlich beschäftigt sich Vergil in seinen Georgica mit der Milch und deren Verarbeitung.73 Nur wenige Verse widmet er im dritten Buch des Werks dieser Thematik (3, 394-403 [Loeb; Perseus]). Immerhin erfahren wir, dass die Hirten Käse herstellten – mit den Details hält sich Vergil nicht auf – und einen Teil davon durch Zugabe von Salz konservierten, um ihn sodann im Winter essen zu können. Dies impliziert, dass die Tiere im Winter offenbar keine oder nur wenig Milch lieferten, und man erinnert sich an die Erzählung des Menelaos, der von einem Land berichtete, in dem der Milchfluss der Tiere ohne Unterbrechung sei (s. oben). Vergil spricht ferner davon, dass ein anderer Teil des von den Hirten erzeugten Käses von ihnen in Körben (calathi) in die Stadt gebracht wurde, zweifellos, um ihn dort zu verkaufen. Dies verweist auf den Aspekt des Handels mit Käse: Spätestens in der römischen Kaiserzeit wurde Käse als Handelsware über zum Teil erhebliche Distanzen transportiert.74 Von Strabon (4, 6, 9: κατὰ σπάνιν οὖν τροφῆς τε καὶ ἄλλην ἐφείδοντο ἔσθ᾿ ὅτε τῶν ἐν  τοῖς πεδίοις, ἵν᾿ ἔχοιεν χορηγούς· ἀντεδίδοσαν δὲ ῥητίνην, πίτταν, δᾷδα, κηρόν, μέλι, τυρόν· τούτων γὰρ εὐπόρουν. [Loeb; Perseus]) hören wir, dass die Stämme, die in den unwirtlichen und weniger fruchtbaren Gegenden des Alpenraumes lebten, ihren Bedarf an bestimmten Gütern deckten, indem sie Tauschhandel mit den Bewohnern der umliegenden Ebenen trieben. Sie hätten dabei neben Harz, Kiefernholz, Wachs und Honig auch Käse angeboten. Und Columella berichtet, dass speziell Hartkäse auch mit dem Schiff über große Distanzen transportiert werden konnte.75 Offenkundig gab es also Fernhandel mit Käse, was nur bedeuten kann, dass ganz bestimmter Käse aus bestimmten Regionen ein besonderes Renommée gehabt haben muss. Gleichzeitig muss es eine nennenswerte Nachfrage nach diesem Produkt gegeben haben mit einer Kundschaft, die dazu bereit und in der Lage war, sicherlich nicht geringe Preise für den weit gereisten Käse zu bezahlen.

5. Kleopatra

Ein Beitrag über die Milch in der Antike kommt nicht an der berühmten Kleopatra VII. Philopator (69-30 v. Chr.) vorbei. Legendär ist die in Milch badende Elizabeth Taylor als Cleopatra im gleichnamigen Film aus dem Jahr 1963 unter der Regie von Joseph L. Mankiewicz, und auch andere moderne Kunstschaffende ließen sich von der angeblichen Marotte der griechisch-ägyptischen Königin inspirieren:

Ausschnitt aus der deutschen Fassung des Films "Astérix et Cléopâtre" aus dem Jahr 1968 (Regie René Goscinny, Lee Payant und Albert Uderzo)

Jedoch ist es mehr als zweifelhaft, ob die historische Kleopatra tatsächlich je in Milch gebadet hat. Eine antike Quelle, die das zweifelfsfrei belegen würde, gibt es jedenfalls nicht.76 Vielmehr scheint es die Römerin Poppaea Sabina, die zweite Frau des verrufenen Kaisers Nero, gewesen zu sein, auf die letztlich die Legende von der in Milch badenden Kleopatra zurückzuführen ist. Plinius der Ältere berichtet an zwei Stellen in seiner Naturalis Historia (11, 96 [Loeb; Perseus]; 28, 50 [Loeb]) davon, dass Poppaea in Eselsmilch gebadet habe. Zur Sicherstellung der Versorgung habe Poppaea stets ganze Herden – Plutarch spricht an einer Stelle von 500 Tieren (11, 96 [Loeb]) – von weiblichen Eseln mit sich geführt. Sie sei es auch gewesen, die die bei vornehmen Römerinnen später verbreitete Sitte eingeführt habe, sich das Gesicht mit Eselsmilch zu waschen (Poppaea selbst tat dies angeblich siebenmal täglich). Neben der Wirkung gegen Faltenbildung erhofften sich Poppaea und die ihrem Vorbild folgenden Damen von dieser Praxis, offenkundig in vollkommener Naivität, eine Weißfärbung ihrer Haut, was dem damaligen Schönheitsideal entsprach.

Mit letzter Sicherheit lässt es sich nicht sagen, jedoch spricht einiges dafür, dass die Legende von der in Milch badenden Kleopatra auf den Hollywood-Regisseur Cecil B. DeMill (1881-1959) zurückgeht. In seinem im Jahr 1932 uraufgeführten Film "The Sign of the Cross" badet die von Claudette Colbert (1903-1996) verkörperte Poppaea in Eselsmilch.77 Zwei Jahre später drehte DeMill seinen Cleopatra-Film, in dem wiederum Claudette Colbert, diesmal in der Rolle der Kleopatra, ein Milchbad nahm. Es mag also gut sein, dass DeMill hier einfach das für Poppaea historisch belegte Faktum auf Kleopatra übertragen hat. Nachdem dann das Motiv von Mankiewicz mit Liz Taylor als Kleopatra wiederholt worden war, verbreitete sich die Legende und geriet zum nicht mehr hinterfragten Topos.

In jedem Fall besteht kein Zweifel daran, dass Milch, ebenso wie Olivenöl, in der Antike nicht nur als Lebensmittel, sondern auch zur Körperpflege verwendet wurde, und bis zum heutigen Tage gibt es Frauen, die aus kosmetischen Gründen regelmäßig in Milch zu baden pflegen.78 Plinius befasst sich in seiner Naturalis historia (28, 33 [Loeb; Perseus]) mit Milch und Milchprodukten ausschließlich unter dem Aspekt heilender Wirkung auf den menschlichen Körper. Zu diesem Zweck kamen, laut Plinius, Kuh-, Stuten- und Ziegenmilch zum Einsatz, wobei die Milch, in unterschiedlicher Zubereitung, überwiegend getrunken bzw. gegessen wurde. Speziell Käse aus Sauermilch wurde jedoch auch äußerlich verwendet: Man gab ihn ins Badewasser, um Hautunreinheiten zu beseitigen.79

6. Die Milch in der Mythologie

Milch spielt auch in der klassischen Mythologie eine Rolle, dort jedoch überwiegend in deren genuiner Funktion als Nahrung für Säuglinge und nicht in der einen oder anderen Form als Nahrungsmittel für Erwachsene. Von Zeus wird berichtet, er sei, nachdem seine Mutter Rhea ihn vor den Nachstellungen seines Vaters Kronos verstecken musste, in einer Höhle des Idagebirges auf Kreta von der Ziege Amaltheia gesäugt worden.80 Es mag kein Zufall sein, dass ausgerechnet eine Ziege für diese Aufgabe ausgewählt wurde. Ziegenmilch gilt  als besonders gut verdaulich. Heute weiß man, dass das u. a. daran liegt, dass die in Ziegenmilch enthaltenen Fettsäuren aus kürzeren Ketten bestehen als die in der Kuhmilch und dass die Kügelchen des Milchfetts kleiner sind als die der Kuhmilch.81 Auch ohne das Wissen um die genaue Zusammensetzung von Ziegenmilch mag den Alten die besonders gute Verträglichkeit bei der substitutiven Ernährung von Säuglingen aufgefallen sein, was schließlich seinen Reflex im Mythos von der Ziege Amaltheia gefunden haben könnte. Jedenfalls machte die Ernährung durch Amaltheia den Zeus im Laufe der Zeit so stark, dass er schließlich seinen Vater Kronos vom Thron stürzen konnte.

Tatsächliche Muttermilch hatte Herakles zu trinken bekommen, allerdings nicht von seiner leiblichen Mutter Alkmene, die ihn ebenso wie Rhea den Zeus, vor Nachstellungen, in diesem Fall der eifersüchtigen Hera, verstecken musste. Sie hatte den kleinen Herakles der Athena übergeben, und diese jubelte den Säugling ausgerechnet der ahnungslosen Hera unter, die nicht erkannte, um wen es sich da handelte. Sie säugt den kleinen Herakles, und als dieser derart heftig zu saugen beginnt, dass Hera ihn vor Schmerz von ihrer Brust stößt, spritzt die Milch über das Himmelsgewölbe und bildet seither die Galaxie, was wir im Deutschen mit 'Milchstraße' wiedergeben.82 In der antiken Kunst ist das Motiv der an das Firmament spritzenden Milch anscheinend nur sehr selten (wenn überhaupt je) dargestellt worden. Wenigstens eine entsprechende Illustration findet sich allerdings in der neuzeitlichen Tafelmalerei, und zwar auf einem Gemälde Tintorettos aus der Zeit um 1575, das sich heute in der National Galery in London befindet:

Jacopo Tintoretto - Hera säugt den Herakles

Jacopo Tintoretto: Die Entstehung der Milchstraße (Tafelgemälde um 1575, London, National Galery)83
(Lizenz: CC BY SA)

Abschließend darf nicht unerwähnt bleiben, dass es angeblich kein Geringerer als der Gott Apoll selbst gewesen sei, der die Herstellung von Käse erfunden habe. Im dritten Kapitel seiner zweiten Elegie schildert der zur Zeit des Augustus tätige und jung verstorbene Elegiker Tibull, wie Apoll als Strafe für die Tötung des delphischen Python ein Jahr lang als Kuhhirte beim thessalischen König Admetos Dienst tut.84 Dort habe er unter anderem "gelehrt" (docuisse), wie man die Milch durch Beigabe von Lab zum Gerinnen bringt und man anschließend die Molke vom Bruch trennt, indem man sich eines geflochtenen Korbes (fiscella) bedient. Überraschend ist, dass in dieser Geschichte die Erfindung des Käses ausgerechnet mit einer Sorte Milch erfolgt, die in der Antike allem Anschein nach eher selten zur Herstellung von Käse verwendet wurde: nämlich mit der Milch von Kühen und nicht mit der von Schafen oder Ziegen. Auf alle Fälle kann man jedoch feststellen: Käse ist eine Gabe der Götter!

 

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Claudette Colbert als Poppaea beim Milchbad
(Lizenz: CC BY SA)

 

 

 

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Seite „Linearbandkeramische Kultur“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 20. Januar 2020, 17:42 UTC. URL (Abgerufen: 21. Februar 2020, 14:29 UTC)
Dieser und die im Folgenden genannten Zahlenwerte stammen von der Seite „Laktoseintoleranz“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 2. Dezember 2019, 11:34 UTC. URL  (Abgerufen: 11. Februar 2020, 09:38 UTC).
Leonardi 2011, 16; bei den Tutsi in Ruanda liegt eine Laktosetoleranzquote von rund 80 Prozent vor.
Die bei der Käseherstellung abgetrennte Molke weist ungefähr den selben Laktoseanteil wie die Milch auf. Die Scheidung der Molke trägt demnach nicht zur Reduktion des prozentualen Laktoseanteils bei.
Bei weniger als 0,1 Gramm Laktose pro 100 Gramm gilt ein Nahrungsmittel als laktosefrei. Parmiggiano Reggiano hat eine Mindestlagerungszeit von zwölf Monaten.
Nimmt man die verbreitetsten Nutztiere in den Blick, so besitzt die Milch des Esels mit 7,4 Gewichtsprozent den höchsten Laktoseanteil. Besonders niedrig ist der Wert bei Ziegenmilch mit nur 4,2 Gramm pro 100 Gramm (vgl. Seite „Lactose“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 6. Februar 2020, 08:54 UTC. URL (Abgerufen: 11. Februar 2020, 09:30 UTC)
Salque u.a. 2013; vgl. Spektrum der Wissenschaft März 2013, S. 8 (URL) – Ich danke Mélanie Roffet-Salque von der Universität Bristol für die Zurverfügungstellung eines hochauflösenden Photos und die Erlaubnis, dieses hier abbilden zu dürfen.
Leider ist es mir nicht gelungen, den Urheber der Abbildung zu kontaktieren, um ihn um die Erlaubnis zur Reproduktion des Bildes im vorliegenden Beitrag zu bitten. Wie es scheint, wurde der unter der angegebenen URL abgebildete Tonzylinder in den Resten der kupferzeitlichen Siedlung Los Millares in Andalusien gefunden.
Die Kupferzeit setzt auf der iberischen Halbinsel etwa um 3000 v. Chr. ein (vgl. Kunst 2001, 69)
Ungebrannter Ton würde sich für den hier in Rede stehenden Zweck nicht eignen, da sich der Ton durch die Feuchtigkeit auflösen und Teile davon in den Käse gelangen würden. Ich danke Bettina Speckner und ihrer Gewährsperson für die sachkundige Unterrichtung.
Der fehlende Boden, der die Molke schneller abfließen lässt, ist besonders für die Herstellung von Weichkäse von Vorteil (ich danke Jay Brady für diesen Hinweis). Man wird daraus jedoch nicht zwingend schließen wollen, dass mit den entsprechenden antiken Tonzylindern speziell Weichkäse hergestellt wurde.
Herkunft der Abbildung: URL – Ich danke Jay Brady von "Bunte Kuh Käsereibedarf" für die Erlaubnis, das Foto an dieser Stelle zu verwenden.
Tews 2017, 73 unter Verweis auf Decavallas 2007, 154 (non vidi)
S. dazu Fischer 2003, 192. Fischer nennt insgesamt vier Vorkommen des Wortes für KÄSE, allesamt in Texten aus Pylos (die Texte können eingesehen werden über das online-Korpus DAMOS; vgl. Aurora 2015; in PY Un 718, Z. 12 z. B. ist von "10 Käsen" die Rede [A. Bartoněk, Handbuch des mykenischen Griechisch, Heidelberg 2003, 121f.]). Immerhin belegen diese Verzeichnisse, dass die mykenischen Griechen Käse produzierten und ihn offenkundig so hoch schätzten, dass sie es für Wert hielten, über die Bestände Buch zu führen. Im Linear B existiert sogar ein spezielles Monogramm für das Wort Turo2, das im mykenischen Griechisch den KÄSE bezeichnet (dem entsprechenden Schriftzeichen ist der Unicode-Codepoint 100A4 zugewiesen; eigentlich handelt es sich um eine Ligatur von zwei Silbenzeichen, vgl. A. Bartoněk, a. a. O., 122). Das Wort repräsentiert offenkundig einen Vorläufer des τῡρός im klassischen Griechisch.
Die Bände der Loeb Classical Library sind nunmehr online zugänglich. Hier und im Folgenden gebe ich bei Quellenzitaten, wo möglich, jeweils zusätzlich den Link auf die entsprechende Seite in der Loeb-Edition an, wohlwissend, dass der Zugriff – bedauerlicherweise – beschränkt ist. Mitglieder der Ludwig-Maximilians-Universität München können den Zugang über das E-Medien-Portal der Universitätsbibliothek nutzen; sie werden beim Aufrufen der Links zur Eingabe von Kennung und Passwort aufgefordert. Zusätzlich zu den Links auf die Editionen der Loeb-Reihe werden im Folgenden, sofern dort verfügbar, zusätzlich Links auf die Open Access Texte der Perseus Digital Library genannt.
< τρέφω, 'dicklegen' der Milch; ein Terminus, der auch ERNÄHREN im Sinne von EINE PERSON DICK MACHEN bedeutet und somit semantisch/metaphorisch genau dem deutschen dicklegen entspricht.
Das Wort τάλαρος, für KORB, steht im Zusammenhang mit dem Verb τλῆναι, das seinerseits wiederum mit lat. tollere oder auch dem Perfektstamm des lat. ferre, tuli, zusammenhängt (Gemoll 1908, s. vv. τάλαρος, τλῆναι). All diese Wörter bezeichnen Konzepte im Umfeld des HEBENs oder TRAGENs, wobei dies auch die metaphorische Ebene im Sinne des deutschen (er)tragen umfassen kann. Speziell das griechische τλῆναι bezeichnet allerdings ausschließlich das ERTRAGEN EINER LAST im übertragenen Sinn (für das physische TRAGEN VON LASTEN wird im Griechischen das Verb φέρω verwendet), weswegen τάλαρος, mit seiner offenkundigen Bedeutung UTENSIL ZU AUFBEWAHRUNG BZW. ZUM TRANSPORT wohl eher nicht direkt davon herzuleiten ist, sondern beide Wörter möglicherweise auf eine nicht greifbare dritte Instanz zu beziehen sind.
Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Übersetzungen vom Verfasser.
LSJ. Für Aristoteles (Meteorologica 4, 7, 20 [= 384 a 20] [Loeb]) ist Milch, ebenso wie Blut, eine Mischung von Erde und Wasser, wobei seine Auffassung offenkundig darauf beruht, dass beide Flüssigkeiten durch Gerinnung auch feste Aggregatszustände hervorbringen können (schon in der Ilias [5, 902-904; Loeb; Perseus] werden Milch und Blut miteinander verglichen: ὡς δ᾿ ὅτ᾿ ὀπὸς γάλα λευκὸν ἐπειγόμενος συνέπηξεν / ὑγρὸν ἐόν, μάλα δ᾿ ὦκα περιτρέφεται κυκόωντι, / ὣς ἄρα καρπαλίμως ἰήσατο θοῦρον Ἄρηα. – "Schnell wie die weiße Milch von Feigenlabe gerinnet, / Flüssig zuvor, wann in Eil' umher sie dreht der Vermischer: / Also schloß sich die Wunde sofort dem tobenden Ares." [Übers. J. H. Voss]). Milch werde, so Aristoteles, üblicherweise durch Beigabe von Pflanzensaft (ὀπός) – gemeint ist vermutlich die 'Milch' (= das flüssige Harz) vom wilden Feigenbaum – zur Gerinnung gebracht. Eigenartigerweise erwähnt Aristoteles in diesem Zusammenhang beiläufig, dass „die Ärzte“ Milch auf diese Weise zur Gerinnung bringen. Leider erläutert er nicht, warum sie das tun, es liegt aber natürlich die Vermutung nahe, dass sie das Produkt für ihre Heilkunst einsetzten, wobei dann aber unklar bleibt, ob es ihnen um die Molke oder den Käse ging.
L. von Schroeder, Arische Religion, Leipzig 1914, S. 241 (URL)
Od. 4, 78ff. (Loeb; Perseus)
Od. 4, 87-89: ἔνθα μὲν οὔτε ἄναξ ἐπιδευὴς οὔτε τι ποιμὴν / τυροῦ καὶ κρειῶν οὐδὲ γλυκεροῖο γάλακτος, / ἀλλ᾿ αἰεὶ παρέχουσιν ἐπηετανὸν γάλα θῆσθαι.
ἄκρητον γάλα (Od. 9, 297). Es ist mehrfach gerätselt worden, was damit gemeint sein könnte (s. dazu ausführlich Papanikolaou 1979). Gedacht wurde an – in diesem Fall unterbliebene – Mischungen mit Honig, Wasser oder Lab. Mit letzter Sicherheit wird man die Frage nicht beantworten können. Sehr wahrscheinlich dürfte hier aber doch die flüssige, nicht dickgelegte Milch gemeint sein, die nicht mit einem Coagulum vermengt worden war. Für diese Interpretation spricht auch die explizite Beschreibung dieser Prozedur in Il. 5, 902-904, in der davon die Rede ist, dass die Milch durch das "Vermischen" (hier wird das Verb κῠκάω verwendet) gerinnt.
Darauf spielt wohl das σιτοφάγος in Od. 9, 191 (Loeb; Perseus) an: καὶ γὰρ θαῦμ᾿ ἐτέτυκτο πελώριον, οὐδὲ ἐῴκει / ἀνδρί γε σιτοφάγῳ, ἀλλὰ ῥίῳ ὑλήεντι / ὑψηλῶν ὀρέων, ὅ τε φαίνεται οἶον ἀπ᾿ ἄλλων. (Und er ruft großes Staunen hervor, und er ähnelt nicht einem brotessenden Mann, sondern [mehr] einer bewaldeten Bergspitze im hohen Gebirge, der  isoliert von den anderen erscheint. [die Rede ist von Polyphem])
Man vergleiche die hölzernen Wannen, die laut Herodot (4, 2, 2 [Loeb; Perseus]) die Skythen bei der Gewinnung von Sahne verwendeten (s. unten)
Vgl. Ulf 1990, 184; als ein Beispiel kann eine Passage in der Rede des Odysseus am Hof des Phäakenkönigs Alkinoos genannt werden, in der er den Topos eines glücklichen Volkes über das Stattfinden von Festgelagen definiert (Od. 9, 5-10): οὐ γὰρ ἐγώ γέ τί φημι τέλος χαριέστερον εἶναι / ἢ ὅτ᾿ ἐυφροσύνη μὲν ἔχῃ κάτα δῆμον ἅπαντα, / δαιτυμόνες δ᾿ ἀνὰ δώματ᾿ ἀκουάζωνται ἀοιδοῦ / ἥμενοι ἑξείης, παρὰ δὲ πλήθωσι τράπεζαι / σίτου καὶ κρειῶν, μέθυ δ᾿ ἐκ κρητῆρος ἀφύσσων / οἰνοχόος φορέῃσι καὶ ἐγχείῃ δεπάεσσι.
Die verbindlichen modernen Editionen (z. B. D. B. Monro, Th. W. Allen, Homeri Opera, Tomus II, Iliadis libros XIII-XXIV continens [Oxford Classical Texts], 3. Aufl. 1920) fassen das Wort durchweg als Eigennamen auf. Entsprechend auch Wolfgang Schadewaldt in seiner Übersetzung von 1974 und auch schon Johann Heinrich Voß in der Übersetzung von 1793.
Ungefehr-Kortus, Claudia (Alten-Buseck), “Galaktophagoi”, in: Der Neue Pauly, Herausgegeben von: Hubert Cancik,, Helmuth Schneider (Antike), Manfred Landfester (Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte). Consulted online on 13 April 2018 <URL>
Ptolemaios, Geographia 6, 14, 12 (ed. C. F. A. Nobbe, Leipzig 1845 [URL]).
Il. a. a. O.: ἐν τῷ ῥά σφι κύκησε γυνὴ ἐικυῖα θεῇσιν / οἴνῳ Πραμνείῳ, ἐπὶ δ᾿ αἴγειον κνῆ τυρὸν / κνήστι χαλκείῃ, ἐπὶ δ᾿ ἄλφιτα λευκὰ πάλυνε, / πινέμεναι δὲ κέλευσεν, ἐπεί ῥ᾿ ὥπλισσε κυκειῶ.
Zu all dem s. Krapf 2009. – Das griechische Wort für Käsereibe ist τυρόκνηστις. Auf Sizilien existierte daneben anscheinend eine spezielle Bezeichnung: κατάνη. Nur so ist zu verstehen, dass der Usurpator Kallippos (~ 390-352/1 v. Chr.), nachdem er die Stadt Katane (das heutige Catania) erobert, zugleich aber seine Basis Syrakus verloren hatte (i. J. 353 v. Chr.), sagen konnte, dass er eine Stadt verloren und dafür eine Käsereibe gewonnen habe (Plutarch, Dion 58, 2 [Loeb; Perseus]: ὁρμήσας μὲν γὰρ Κατάνην λαβεῖν, εὐθὺς ἀπέβαλε τὰς Συρακούσας· ὅτε καί φασιν αὐτὸν εἰπεῖν ὅτι πόλιν ἀπολωλεκὼς τυρόκνηστιν εἴληφεν.). Hinweise darauf, dass Katane mit einer Käsereibe assoziiert wurde, finden sich schon in den Wespen des Aristophanes (963-966 [Loeb; Perseus]), wo eine Käsereibe als Zeuge in einem Veruntreuungsprozess aufgerufen wird. Hier handelt es sich um Anspielungen auf den Laches-Prozess, in dem es um die Veruntreuung von Geldern bei der Sizilienexpedition ging. Die Käsereibe ist in dieser Szene offenbar als Personifikation der Stadt Katane zu verstehen (vgl. dazu L. A. Post, Catana the cheese-grater in Aristophanes' Wasps, AJPh 53, 1932, 265f.).
Man kann nicht ausschließen, dass wir es hier mit regional unterschiedlichen Gepflogenheiten zu tun haben. Hesiod lebte in Boiotien, die homerischen Epen könnten im Umfeld des kleinasiatischen Griechentums entstanden zu sein.
Den erwähnten Milchbrei oder -teig nennt Hesiod μᾶζα ἀμολγαίη. Das Nomen μᾶζα hängt zusammen mit dem Verb μάσσω, das KNETEN bedeutet und in dieser Bedeutung u. a. im Kontext der Herstellung von Kuchen aus Gerstenteig begegnet, der ungebacken gegessen wurde [LSJ s. v. μάσσω]. Auch wenn μάζα ἀμολγαίη vereinzelt mit „Milchbrot“ übersetzt wurde [z. B. Heinrich Gebhard 1861], scheint es sich daher wohl doch eher um eine nicht gebackene Substanz unbestimmter Konsistenz, also entweder einen rohen Teig oder einen Brei, zu handeln. – Das Adjektiv ἀμολγαῖος bedeutet AUS MILCH und steht im Zusammenhang mit dem Verb ἀμέλγω, das seinerseits die Tätigkeit des MELKENS bezeichnet. Die phonetische und orthographische Nähe von ἀμέλγω zum deutschen Wort „melken“ ist auffällig. Beide Verben sind, ebenso wie das lateinische mulgēre, Vertreter der Ableitungen von der indogermanischen Wurzel *mel[e]g, die im Kern wohl so etwas wie ABSTREIFEN, WISCHEN bezeichnet und damit auf die Handbewegung beim Melken anspielt. In diese Familie gehören (natürlich) auch die Nomina Milch und Molke (Etymologie 1963, s. v. melken. Kluge 2013 stellt keinen entsprechenden Zusammenhang her.)
"thrakischer Wein von den Biblinischen Bergen" (Gemoll 1908)
= das Fleisch einer Färse, das besonders zart ist.
Cato (Kap. 150, 2 [Loeb]) spricht von "porcos serarios ... ", also "Molkenschweinen".
Verg. Georgica 3, 405f. (Loeb; Perseus); Columella (7, 12 [Loeb; Perseus]) berichtet von einer Art Brei, der durch die Vermischung der Molke mit Gerstenmehl hergestellt wurde: ... omnes sine discrimine canes hordeacea farina cum sero commode pascit.
Ich danke Dieter Hennig für den Hinweis auf diese Szene.
Venantius Fortunatur, carm. 11, 14, 2; 6. Jh. n. Chr.; vgl. TLL 1909, Sp. 1097, s. v. cramum. – Bezeichnenderweise bewegte sich Venantius hauptsächlich im gallo-römischen Kulturkreis. Die Herkunft des Wortes cramum ist ungewiss (TLL 1909) a. a. O.
AIS, 1203; online-Version bei  Tisato 2009- (URL) – Man vergleiche auch die Verbreitungskarte des entsprechenden Konzepts in Krefeld/Lücke 2014- (URL)
In Italien ist die Butterproduktion demnach traditionell auf den Alpenraum und Sardinien beschränkt. Auf Sizilien weist die entsprechende AIS-Karte einen einzigen isolierten Ort auf, in dem die AIS-Exploratoren Sahne- und Buttererzeugung feststellen konnten. Sicherlich nicht zufällig handelt sich dabei um einen Ort mit speziell galloitalischer Bevölkerung (San Fratello; AIS-Ort 817). Offenkundig (und natürlich wenig überraschend) haben die galloitalischen Siedler nicht nur ihre Sprache, sondern auch ihre Kulturtechniken aus dem Alpenraum mit nach Sizilien gebracht und dort über die Jahrhunderte bewahrt. Die Herstellung von Butter muss zum Zeitpunkt der Migration (zwischen dem 11. und 13. Jh.) in der Herkunftsregion der galloitalischen Siedler bereits betrieben worden sein. Zu den galloitalischen Siedlungen auf Sizilien s. Thomas Krefeld (2019): Galloitalische Varietäten und Varianten in Sizilien. Version 2 (20.06.2019, 11:20). Lehre in den Digital Humanities. URL.
Zu den griechischen Vertretern werden z. B. Xenophon (Oikonomikos) oder auch Aristoteles (Oeconomica) gezählt.
Kap. 84: Herstellung von Libum (eine Art Käsebrot); 85: Gericht mit Schafskäse ("placenta"; caseus ovillus); 86: Schneckenkuchen mit Käse in Kombination mit Honig; 87: Scriblita: ebenfalls mit Käse; 88: Krapfen (globi): Käse vermengt mit Speltgraupen (alica; Spelt=Dinkel); 91: Kugelkuchen (savillum) mit Käse und Honig; 94: Punischer Brei (puls punica) mit Frischkäse (caseus recens); 95: Weizenbrei mit Milch
Er gibt bestimmte Stände der Pleiaden als zeitliche Markierungspunkte an. Die Angaben sind kryptisch.
Baumappellative sind im lateinischen ausnahmslos feminin. Dazu passt, dass die Römer sich die Baumgottheiten als weibliche Wesen, die 'Nymphen', vorstellten.
Die genaue Lokalisierung ist unsicher, da die Quellen Widersprüchliches überliefern. Teilweise heißt es, der Baum habe auf dem Palatin gestanden. Der Erklärung dient die von Plinius d. Ä. überlieferte Geschichte, derzufolge der Baum in grauer Vorzeit vom Palatin auf das Forum versetzt worden sei (Plinius, Nat. Hist. 15, 20 [Loeb]; vgl. Ficus Ruminalis. [2019, octobre 19]. Wikipédia, l'encyclopédie libre. Page consultée le 19:52, octobre 19, 2019 à partir de <URL>.). Heutzutage steht am vermuteten ursprünglichen Standort der ficus ruminalis, vor der Curia Iulia auf dem Forum Romanum, wieder ein Feigenbaum.
Vgl. T. R. S. Broughton, The Magistrates of the Roman Republic, Volume II, New York 1952, S. 449.
M. Crawford, Roman Republican Coinage [RRC], 1974, Nr. 235/1a, 235/1b, 235/1c – Quelle der Abbildung: File:Pompeia1.jpg. (2018, August 10). Wikimedia Commons, the free media repository. Retrieved 08:38, February 23, 2020 from <URL>. Ursprünglich aus F. Caronni, Lezioni elementari di Numismatica antica, 1808, Taf. II Nr. 19 (Übersetzung von J. H. Eckhel, Kurzgefasste Anfangsgründe zur alten Numismatik, Wien 1787
Aus Gades/Cadiz in Andalusien. Verfasste seine De re rustica libri duodecim zur Zeit des Kaisers Claudius (41-54).
Columella 7, 8 (Loeb; Perseus)
Thomas Krefeld und ich konnten der entsprechenden Prozedur im Oktober 2016 bei einem von Roberto Sottile und Vito Matranga von der Universität Palermo organisierten Ausflug zu einer in den Madonie gelegenen archaisch anmutenden Alm (OSM; Google Satellite) beiwohnen. Dort wird noch heute nach Verfahren wie vor tausenden von Jahren Käse hergestellt.
sic; wahrscheinlich handelt es sich um die Färberdistel, Carthamus tinctorius, Georges 1913 (URL); das lateinische cnecos ist übernommen aus griech. ἡ κνῆκος mit identischer Bedeutung
Seite „Lab“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 16. Dezember 2019, 12:13 UTC. URL (Abgerufen: 17. Februar 2020, 10:30 UTC)
s. unten den Abschnitt über die Erfindung der Kunst der Käseherstellung durch Apoll
forma bzw. der Diminutiv formella im Zusammenhang mit Käse begegnet auch in der Vulgata (1. Samuel 17, 18: … et decem formellas casei has deferes ad tribunum et fratres tuos visitabis si recte agant et cum quibus ordinati sint disce). Hier ist nicht ganz klar, ob mit formellae casei MIT KÄSE GEFÜLLTE KÖRBCHEN oder aber KÄSELAIBE gemeint sind (Georges 1913, s. v. formella [URL]). Ausgehend davon ist zu erwägen, ob die Bezeichnung des Körbchens metonymisch auf das Produkt übergegangen sein könnte und somit ital. formaggio bzw. frz. fromage, wenn schon nicht unmittelbar, so doch letztlich auf die Bezeichnung des Körbchens zurückzuführen wären. – Die schriftlichen Quellen vermitteln den Eindruck, dass im griechisch-römischen Kulturraum überwiegend geflochtene Körbe anstelle von Keramikutensilien bei der Herstellung von Käse verwendet wurden. In Großbritannien sind vereinzelt perforierte Keramikfragmente gefunden worden, chemische Analysen haben an diesen jedoch kaum Lipidreste feststellen können, was deren Nutzung zur Milchverarbeitung sehr unwahrscheinlich macht (vgl. L. J. E. Cramp, R. P. Evershed, H. Eckhardt, Are You What You Grind? A Comparison of Organic Residues from Ceramics at Two Romano-British Sites, in: I. Schrüfer-Kolb [Hrsg.], More Than Just Numbers? The Role of Science in Roman Archaeology [JRA Supplementary Series 91], Portsmouth 2012, S. 93-110). Ebenfalls in Großbritannien sind hingegen Reste von Flechtwerk entdeckt worden, die relativ sicher zur Käseherstellung verwendet wurden (H. E. M. Cool, Eating and Drinking in Roman Britain, Cambridge 2006, S. ### – Ich danke Mélanie Roffet-Salque für die entsprechenden Informationen und bibliographischen Hinweise).
Die, in meinem Sinn nebensächliche, Passage von Namque bis tepefacta ist dunkel. Die mir bekannten Übersetzungen (W. Richter, Sammlung Tusculum, München 1982, S. 199; E. S. Forster, Loeb Classical Library, Cambridge [Mass.] 1954, S. 289) erscheinen mir unbefriedigend.
Ich bedanke mich bei der Alztaler Hofmolkerei für die Erlaubnis, das Video an dieser Stelle zu verwenden.
Seite „Gewöhnlicher Buchsbaum“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 23. September 2019, 09:08 UTC. URL (Abschnitt "Giftigkeit und Heilkraft"; abgerufen: 21. Februar 2020, 14:45 UTC)
Ebd.
Insofern scheinen sich Griechen und Römer von den "Erfindern" der Milchwirtschaft, den Bandkeramikern, unterschieden zu haben. Jedenfalls machten Kühe mit durchschnittlich über 55 Prozent das Gros der Haustiere in linearbandkeramischen Siedlungen aus (Seite „Linearbandkeramische Kultur“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 20. Januar 2020, 17:42 UTC. URL [Abschnitt "Haustiere_und_Jagdtiere"; abgerufen: 16. Februar 2020, 13:38 UTC]). Freilich sagt diese Zahl nichts über die Art der Nutzung als Fleisch- oder Milchlieferant aus. Schafe und Ziegen, deren Haltung durch die Bandkeramiker ebenfalls gesichert ist, scheinen jedenfalls eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben.
Dies entspricht der generellen Ausrichtung des Werks. "Vergil will nicht als Fachmann lehren ... die Sachunterweisung (dient ihm) fast überall nur als Tragfläche für scheinbare Abschweifungen" (W. Schadewaldt, Sinn und Werden der vergilischen Dichtung, Zürich 1960; zitiert nach J. Götte, in: ders., M. Erler, N. Holzberg [Hrsgg.], Hesiod, Vergil, Ovid – Werke und Tage, Vom Landbau, Liebeskunst, München 1990, S. 72)
S. dazu auch Kroll 1919, 1492f.
Columella 7, 8, 6: Hoc genus casei potest etiam trans maria permitti. (Loeb; Perseus)
Ich danke Christoph Schäfer für die entsprechende Bestätigung sowie für weitere wertvolle Hinweise in diesem Zusammenhang. — Plutarch (Antonius 85 [Loeb; Perseus]) berichtet zwar, Kleopatra habe vor ihrem Selbstmord noch ein Bad genommen. Von Milch ist dort jedoch nicht die Rede.
Seite „Im Zeichen des Kreuzes (1932)“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 21. Februar 2020, 07:35 UTC. URL (Abgerufen: 21. Februar 2020, 14:49 UTC). Es ist schwierig, die entsprechende Szene im Internet zu finden. Ein "Animated GIF" vermittelt einen Eindruck (Colbert als Poppaea).
Ein entsprechendes Bekenntnis legte im Juni 2018 etwa die Sängerin Mariah Carey ab (s. Der Spiegel, 05.06.2018).
Offenkundig muss es sich um Käse von einigermaßen flüssiger Konsistenz gehandelt haben.
Lücke/Lücke 1999, 692f. nennen die Quellenbelege.
Seite „Ziegenmilch“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 29. Oktober 2019, 09:52 UTC. URL  (Abgerufen: 23. Februar 2020, 08:22 UTC)
Abbildung unter Public Domain (URL)
Tibull 2, 3, 15ff. (Loeb; Perseus): ipse deus solitus stabulis expellere vaccas /dicitur …. /et miscere novo docuisse coagula lacte, / lacteus et mixtis obriguisse liquor. / tunc fiscella levi detexta est vimine iunci, raraque per nexus est via facta sero.

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